Besser kurz gefasst als unerwähnt! Für Peter Härtlings letzten Roman Der Gedankenspieler, den er selbst schon nicht mehr hatte endredigieren können, trifft das in besonderer Weise zu. Vor geraumer Zeit schon gelesen, zum zeitnahen Darüberschreiben nicht gekommen, drohte dem Buch ein Schicksal, das wohl vielen Büchern Härtlings ereilen wird: es droht sehr weit in den Hintergrund zu geraten. Dabei handelt es sich um ein im guten Wortsinn anrührendes Alters- ja Abschiedswerk des im Juli 2017 verstorbenen Schriftstellers.
In dessen Mittelpunkt steht der 80-jährige Architekt Johannes Wenger, der nach einem Sturz auf Rollstuhl und Pflege angewiesen ist, eine Figur, in dessen Gebrechen ohne Zweifel sehr viel autobiographische Erfahrung eingeflossen ist. Härtling erzählt vom letzten Lebensabschnitt eines Mannes, dessen Zustand, wie Wenger selbst sagt, „einer Existenz zwischen Grube und Gipfel“ gleiche. Bei aller Härte, die Gebrechlichkeit mit sich bringt, bei aller Melancholie im Bewusstsein des Zuendegehens zeigt Härtling doch mit letztlich versöhnlichem Blick einen Lebensabschnitt, der lebenswert erscheint. Das Glück einer Freundschaft mit dem jüngeren Hausarzt und dessen Familie, die Zuwendung eines Kindes, das reichlich Hoffnungspotenzial hat und den eigenen Tod erträglich macht, letztlich auch die offensichtliche materielle Sicherheit lassen diesen Johannes Wenger als privilegierte Person erscheinen, die jetzt schon und in Zukunft wohl noch weniger als repräsentativ wahrgenommen werden wird. Aber das macht diesen Roman nicht fragwürdig, weil es nicht um derlei Befunde geht, sondern um Suchbewegungen, die eben auch noch am Ende des Lebens als möglich erscheinen.
Peter Härtling: Der Gedankenspieler. Roman. – Köln: Verlag Kiepenheuer & Witsch 2018.