Schreiben lernen im Sozialismus – kurz gefasst

Das Institut für Literatur „Johannes R. Becher“ sei, so die Verlagsankündigung eine „Schlüsselinstitution der DDR-Literaturhistorie“ gewesen. Allerdings, und das sollte zugleich erwähnt werden, wurde es von der Literaturwissenschaft weder während seines Bestehens, noch nach dem Ende der DDR als solche wahrgenommen – bisher. Dass sich das zu ändern vermag, belegt die Studie von Isabelle Lehn, Sascha Macht und Katja Stopka eindrucksvoll. Erwachsen ist sie aus einem Forschungsprojekt am Deutschen Literaturinstitut Leipzig, der, wenn man man sie so nennen darf, 1991 neu gegründeten Nachfolgeeinrichtung des Instituts für Literatur. Die Autor*innen haben Mengen an bisher unveröffentlichtem Material gesichtet und in weithin chronologischer Reihenfolge die Geschichte des Instituts von seiner Gründung im Jahr 1955 bis zu seiner Abwicklung 1990 aufgearbeitet. Ihr arbeitsteiliger Zugriff setzt Schwerpunkte und lässt zu, dass man auch einzelne Kapitel wie in sich geschlossene Aufsätze lesen kann. Umgekehrt führt das zu punktuellen Redundanzen, die aber vielmehr Verweiszusammenhänge deutlich machen denn als Wiederholungen langweilen. Auf diese Weise entsteht ein ausgesprochen facettenreiches Bild des Instituts im permanenten Spannungsbogen zwischen staatsautoritärem Auftrag und Selbstständigkeitsbestreben. So erscheint das Institut in der Tat wie ein Spiegel der zentralen Entwicklungslinien der DDR-Literaturgeschichte, als der es, wie gesagt, bisher viel zu wenig wahrgenommen wurde. Wenn die Autor*innen am Ende ihres Buches selbstbewusst darauf hinweisen, dass es eine Reihe von Nachfolgeuntersuchungen ermögliche, kann man ihnen nur zustimmen. Es ist sicherlich kein Buch für eine breite Leserschaft, aber wer sich für die Literatur der DDR interessiert, findet hier eine Studie, die die Lektüre von rund 600 Seiten uneingeschränkt lohnt.


Lehn, Isabelle; Macht, Sascha, Stopka, Katja: Schreiben lernen im Sozialismus. Das Institut für Literatur „Johannes R. Becher“. – Göttingen: Wallstein Verlag 2018.